|
Sondernewsletter Mobilität II - 7. Mai
|
|
+ Ergebnisse der Ad-hoc Foren "ÖPNV während und nach Corona" und "E-Fuels" + Statements von Politik und Unternehmen +
|
|
Die Transformation braucht verbindliche Rahmenbedingungen
|
|
Liebe Leserin, lieber Leser,
|
|
die Regierung legt plötzlich in aller Eile den Entwurf eines Klimaplanes vor – erzwungen durch das bahnbrechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Treffender kann eigentlich nicht bestätigt werden, dass bei aller Dringlichkeit, die das Thema Klimawende hat, ein konkreter Plan für die ökologisch-soziale Transformation in eine nicht-fossile Zukunft bislang fehlte. Viele Unternehmen können sich immer noch nicht zielgerichtet bewegen, denn sie brauchen für die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz klare Rahmenbedingungen. Nur gut, dass endlich die Forderung nach dem wichtigsten marktwirtschaftlichen Instrument, nämlich einer angemessenen CO2-Bepreisung, auch im Wirtschaftsministerium angekommen ist. Jetzt müssen diese Rahmenbedingungen verbindlich festgelegt werden und gleichzeitig die notwendigen Anpassungsmaßnahmen entschieden und umgesetzt werden – sowohl für bestimmte Industrien, die mit einem CO2-Preis von 120 Euro pro Tonne ihre globale Wettbewerbsfähigkeit verlieren werden, als auch die für die sozialen Implikationen.
So gibt es wirklich viel zu tun und das wird nicht mit einem jetzt in aller Eile zusammengeschusterten Gesetz zu leisten sein. In den Fachforen des GWD zu den Themen ÖPNV während und nach Corona und E-Fuels wurde sehr deutlich, dass sowohl die Budgets, insbesondere im Bereich des ÖPNV, deutlich und vor allem verbindlich angehoben werden, als auch strukturelle Veränderungen z.B. bei den Stromsteuern und der EEG-Umlage dringend entschieden werden müssen. Die Potentiale, auch für die Wirtschaft, sind gewaltig, aber die Unternehmen brauchen entsprechende Rahmenbedingungen, um Innovationen in einem funktionierenden Markt wirklich anzuregen und erfolgreich umzusetzen. Dazu wollen wir mit den Fach- und Ad-hoc-Foren des GWD beitragen – im vorliegenden Sondernewsletter Mobilität II finden Sie dazu die Berichte zu den aktuellen Ad-hoc-Foren, weitere Berichte zu den überaus spannenden Themen Emissionsarme Energieträger, Sektorkopplung und Schnellladesäulen folgen in den kommenden Wochen.
Ihr Thomas Gambke
|
|
Ad-hoc Forum ÖPNV während und nach Corona
|
|
Corona hat unser Mobilitätsverhalten nachhaltig verändert. Der ÖPNV, der als Mobilitätsform mit erhöhter Infektionsgefahr gesehen wird, leidet darunter besonders. Neben den Sicherheitsbedenken haben auch Homeoffice und stark reduzierte Dienstreisen gravierende Auswirkungen. Die Folge sind hohe monetäre Einbußen, besonders im Schienenverkehr. Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich das Ad-hoc-Forum mit den Fragen, inwiefern Corona den ÖPNV verändert, welche Prognosen für die Zukunft gewagt werden können und welche Implikationen diese Prozesse für eine nachhaltige Mobilitätswende haben. Im ersten Podium lag dabei der Fokus explizit auf der Lage und Zukunft des kommunalen ÖPNV, während die Teilnehmer:innen im zweiten Podium zu der Lage und Zukunft des SPNV diskutierten. Als Moderator leitete der Journalist und Verkehrsexperte Christian Schlesiger (WirtschaftsWoche) den anregenden Austausch.
|
|
Foto: Tom Schulze
"Um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, müssen wir unser Mobilitätsverhalten grundlegend ändern. Wir Verkehrsunternehmen stehen bereit, klimaschonende Mobilität in all ihren Facetten ins Zentrum des Geschehens zu rücken, Kunden und Fahrgästen zeitgemäße, unkomplizierte Lösungen anzubieten und die Schiene als Rückgrat einer nachhaltigen Verkehrspolitik deutlich zu stärken"
Dr. Tobias Heinemann Sprecher der Geschäftsführung Transdev GmbH
|
|
Die Corona-Krise ist für den deutschen ÖPNV in vielerlei Hinsicht eine tiefgreifende Belastungsprobe. Während die Fahrgastauslastung vielerorts nur noch bei 30 bis 50 Prozent des Vorpandemie-Niveaus liegt, müssen die Fahrpläne weiterhin zu 100 Prozent stabil bedient werden. Um zu Stoßzeiten die im neuen Infektionsschutzgesetz des Bundes festgeschriebene Maximalauslastung von 50 Prozenz nicht zu überschreiten, müssen die eingesetzten Flotten teilweise erweitert werden, um mehr Fahrgastraum zu ermöglichen. Ohne die Rettungsschirme von Bund und Ländern wäre daher die Aufrechterhaltung eines zuverlässigen und pünktlichen ÖPNV-Angebotes wohl nur schwer zu stemmen. Besonders starke Umsatzeinbußen könnten insbesondere durch die ausbleibenden Einnahmen durch Abo-Prinzipe entstehen, bei denen viele Stammkunden und Pendler nun Pandemie-bedingt ausbleiben. Es bleibt offen, wie viele Menschen auch in einer möglichen „Post-Corona-Zeit“ weiterhin von zu Hause aus arbeiten werden und nicht mehr auf den ÖPNV für den Arbeitsweg angewiesen sein werden. Muss der ÖPNV vor diesem Hintergrund neue Wege gehen und müssen bisherige Mobilitätskonzepte neu gedacht werden?
|
|
"Die Bundesregierung muss sich zu Bus und Bahn bekennen und einen Rettungsschirm für dieses Jahr aufspannen. Darüber hinaus brauchen wir einen kräftigen Schub für die Öffentlichen, denn sie sind das Rückgrat einer Mobilitätswende und können Mobilität für alle gewährleisten. Wir benötigen attraktive Standards für den städtischen Verkehr, damit noch mehr Menschen vom Auto in die Öffentlichen umsteigen. Und wir brauchen gute und verbindliche Standards im ländlichen Raum, um die Mobilität zu sichern. Selbstverständlich muss sich die Bundesregierung an einer Offensive für Bus und Bahn kräftig beteiligen."
Anton Hofreiter, MdB Fraktionsvorsitzender Bundestagsfraktion B90/Die Grünen
|
|
"Die Pandemie stellt die Mobilitätsbranche vor neue Herausforderungen. Wir arbeiten seit Jahren daran, durch ein immer besseres ÖPNV-Angebot, hohe Qualität und faire Preise, Menschen vom ÖPNV zu überzeugen. Diese Rahmenbedingungen sind die Basis für eine gelungene Verkehrswende. Und die brauchen wir dringend! Wir sehen die Pandemie als Chance: Jetzt den Umweltverbund priorisieren, Fahrgäste wieder vom ÖPNV überzeugen und kritisch hinterfragen, was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat und warum. Nur so stellen wir jetzt die richtigen Weichen für umweltfreundliche Mobilität."
Susanne Henckel Geschäftsführerin Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg
|
|
Aus dem Forum wurde auf diese Frage hin ein klares Signal gesendet, dass ÖPNV/SPNV definitiv zurückkommen werden. Unklar ist nur, wie schnell dies geschehen wird. Ungeachtet der Herausforderungen durch die Pandemie muss der ÖPNV durch groß angelegte Investitionen in Ausbau, Instandhaltung und Modernisierung für die Zukunft gerüstet werden. Dabei müssen die Schienen modernisiert und der ÖPNV durch Digitalisierung agiler, flexibler und smarter gemacht werden. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf der Kombination von z.B. Rad und Bahn oder der Stärkung und Integration von Sharing- und On-Demand-Angeboten liegen. Die Umrüstung auf klimaneutrale Flotten ist ein weiterer Baustein für den deutschen ÖPNV/SPNV der Zukunft. Essenziell für die Realisierung dieser Vorhaben wird die Beantwortung der Finanzierungsfrage sein, die nicht auf den Kunden durch immer weiter steigende Ticketpreise abgewälzt werden darf. Auch bei dieser Frage werden die 120 regionalen deutschen Verkehrsverbände zukünftig enger kooperieren müssen.
Sicher ist, dass der ÖPNV/SPNV auch nach Corona das Rückgrat einer nachhaltigen Mobilitätswende ist. Daher lag der Schwerpunkt auf dem Blick in die Zukunft, in der dem ÖPNV/SPNV eine tragende Rolle in einer umweltfreundlich ausgerichteten Verkehrspolitik zukommt. Corona hat die Klimakrise nicht aufgehoben, und so dürfen die Pandemie-spezifischen Herausforderungen nicht die Tatsache überschatten, dass ein leistungsfähiger und wirtschaftlicher ÖPNV/SPNV ein Kernelement einer sozial-ökologischen Mobilität darstellt.
|
|
Foto: Henning Angerer
"Der ÖPNV ist das Rückgrat der Mobilitätswende – auch und gerade in Hamburg. Deswegen machen wir dieses Jahr zum Jahr des Schnellbahnausbaus. Ob U4, U5 oder S4 – überall geht es derzeit voran und wir binden Hunderttausende Menschen besser an den schienengebundenen Nahverkehr an. Unsere Ziele sind ehrgeizig: Alle in den kommenden 20 Jahren werden wir 36 neue Bahnhöfe in Hamburg bauen.“
Anjes Tjarks Senator für Verkehr und Mobilitätswende in Hamburg Bündnis 90/Die Grünen
|
|
Mit einer sozial-ökologischen Transformation des Verkehrs geht zwangsläufig die hochpolitisierte Frage einher, wie diese Transformation ausgestaltet sein wird und welchen Technologien Priorität eingeräumt werden sollten. Für die Erreichung der Pariser Klimaziele werden E-Fuels unabdingbar eine Rolle spielen und sind ein wichtiger Baustein für die Energiewende. Dies gilt insbesondere in der Luft- und Schifffahrt, bei denen Elektrifizierung keine realistische Perspektive für die absehbare Zukunft darstellt. Gleichzeitig hat die Mehrheit der Teilnehmer:innen des Fachforums einem großflächigen Einsatz von E-Fuels im PKW-Sektor keine realistische Perspektive eingeräumt. Die überaus energieintensive Herstellung von E-Fuels steht einem wesentlich höheren energetischen Wirkungsgrad von Elektroautos gegenüber. Darüber hinaus steht auf absehbare Zeit nicht genügend Ökostrom bereit, um klimaneutrale E-Fuels herzustellen. Die Darstellung von E-Fuel-betriebenen Autos versus Elektroautos ist zudem vor dem Hintergrund des nötigen Technologiewechsels problematisch: während die Antriebswende hin zur graduellen Ersetzung des Verbrennungsmotors vorangetrieben werden soll, so setzen E-Fuels weiterhin auf diesen.
|
|
"Die Klimaziele in der Mobilität sind nur machbar mit dem Ausbau der Elektromobilität sowie mit der Dekarbonisierung der Kraftstoffe; dieser Zweiklang ist erforderlich, solange Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor den Straßenverkehr maßgeblich prägen."
Dr. Ruprecht Brandis Director External Affairs BP Europa SE
|
|
Foto: Gunnar Dethlefsen
"Die Produktion synthetischer Kraftstoffe mit klimaneutralem CO2 ist zu aufwändig und teuer für klimafreundlichen Alltagsverkehr oder das Heizen von Gebäuden. Zum Beispiel im Flugverkehr sollte der Einsatz von synthetischem Kerosin aber zügig vorangetrieben werden. Um Planbarkeit für die Hersteller zu schaffen, wollen wir eine Beimischungsquote finanziert von allen Starts und Landungen, am besten im europäischen Flugverkehr. So senken wir die Emissionen und sorgen für einen schnellen Markthochlauf."
Dr. Ingrid Nestle, MdB Sprecherin für Energiepolitik Bundestagsfraktion B90/Die Grünen
|
|
Längerfristig werden E-Fuels in der Breite der Einsatzbereiche relativ teure Optionen bleiben, was auch an der geringen bestehenden Produktionskapazität liegt. Für die Steigerung der Wirtschaftlichkeit von E-Fuels bedarf es eines globalen Ausbaus von E-Fuel-Produktionsstätten und erneuerbaren Energiequellen. Dafür sind eine resiliente nationale und europäische eFuel-Strategie sowie die Stärkung von internationalen Allianzen gerade auch im Hinblick auf den Import von E-Fuels essenziell. Nicht nur feste Standards und Herkunftsnachweise werden in Bezug auf die internationale Dimension der Thematik relevant, sondern auch die Forderung nach einem ambitionierten CO2 Preis und festen Quoten. So sind verbindliche E-Fuel-Quoten in Schifffahrt und Luftfahrt auch besonders in Bezug auf die als verhältnismäßig gering prognostizierten Preiserhöhungen von z.B. Flügen und Transportkosten vorstellbar. Der Erfolg dieser regulatorischen Rahmenbedingungen würde allerdings ebenfalls an eine zumindest europäische Lösung gekoppelt sein. In diesem Zusammenhang ergibt sich die besonders kontroverse Frage, ob E-Fuels über den CO2-Preis hinaus staatlich gefördert werden sollten oder ob dadurch der Technologiewechsel hin zu einem Ende des Verbrennungsmotors ausgebremst wird. Vor dem Hintergrund dieser Frage und auf der Suche nach konkreten Vorschlägen für die Schaffung angemessener Rahmenbedingungen wird der GWD das Fachforum E-Fuels definitiv fortführen und das Thema mit weiteren Veranstaltungen vorantreiben.
|
|
"Der Zugang zu globalen erneuerbaren Energieressourcen ist die entscheidende Voraussetzung für eine resiliente Energiewende. Dafür braucht es auch mehr als eine Technologieoption. PtX und efuels sind entscheidende Bausteine für das Erreichen der Klimaziele. Marktbasierte Instrumente sind notwendig, damit das PtX Ökosystem wirtschaftlich werden kann."
Dr. Daniel Chatterjee Director Technology Management & Regulatory Affairs MTU Friedrichshafen GmbH (Rolls Royce)
|
|
"Die Energiewende wird nur gelingen, wenn wir auch flüssige und gasförmige Moleküle einbeziehen und zwar global betrachtet. Zusätzlicher erneuerbarer Strom kann in Form von eFuels gespeichert werden, transportiert und vielseitig angewandt. Nur wenn wir alle Hebel nutzen – auch den des Straßenverkehrs mit seinen hohen Vermeidungskosten – werden wir das Ziel der Klimaneutralität überhaupt erreichen können."
Ralf Diemer Geschäftsführer eFuel Alliance e.V.
|
|
Wenn Sie Interesse haben, sich im künftigen Dialog in diesem Bereich einzubringen, kontaktieren Sie uns unter info@g-wd.de.
|
|
Im Dialog bleiben
Via Twitter, Facebook und LinkedIn halten wir unsere Mitglieder und Interessierte auf dem Laufenden. Künftig finden Sie dort auch Kommentare zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen, Veröffentlichungen und Termine. Folgen lohnt sich, liken freut uns, teilen erhöht unsere gemeinsame Wirkung! Geben Sie sich einen Klick. Wenn Sie erstmals den Newsletter erhalten haben, tragen Sie sich bitte in den Verteiler ein, dann bleiben Sie auf dem Laufenden. Was fehlt Ihnen? Worüber möchten Sie informiert werden? Gerne nehmen wir Ihre Anregungen auf. Auf der Website finden Sie alle Informationen zu Zielen, Strukturen und Mitgliedern des Vereins, aktuelle Termine und natürlich alles, um selbst Mitglied zu werden. Und da Dialog am besten miteinander und in alle Richtungen funktioniert, freuen wir uns besonders über Anregungen aus den Reihen unserer Mitglieder. Ihre Rückmeldungen und Ideen können die gemeinsame Arbeit nur bereichern und befruchten. Greifen Sie zu Tastatur oder Telefon, wir warten gespannt auf Ihre Anregungen!
|
|
|
V.i.S.d.P.: Dr. Thomas Gambke, Gabriele C. Klug Redaktion: Anna Cebotareva, Hagen Pietzcker
Herausgeber: Grüner Wirtschaftsdialog e.V. Dorotheenstr. 3 10117 Berlin +493028683434 info@g-wd.de www.gruener-wirtschaftsdialog.de0
|