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Newsletter 10/2021 - 16. September
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Liebe Leserin, lieber Leser,
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wir sehen uns aufgrund vielfältiger Krisen, ganz besonders der Klimakrise, vor großen Herausforderungen. Alarmierend und bezeichnend, wenn die Regierung in Großbritannien – die nun nicht gerade von Grünen oder Mitgliedern der FFF-Bewegung dominiert wird - die Schattenkosten für die CO2-Belastung mit knapp 300 Euro pro Tonne ansetzt – in Deutschland rechnen wir mit rund 10% dieser Summe als Grundlage für alle Investitionsentscheidungen des Staates.
Klar ist: Wir brauchen Innovationen und neue Ansätze, nicht nur technologisch, sondern auch in den Strukturen, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Auf zwei Punkte möchte ich hinweisen, die aus wirtschaftspolitischer Perspektive besondere Beachtung verdienen: Kann man Wirtschaft „entfesseln“ durch das simple Rezept Steuersenkungen? Und welche Rolle spielen „Verbote“ für wirtschaftliche Innovationsperspektiven?
Zunächst muss es doch darum gehen, eine wirtschaftliche Basis für eine nachhaltige, von fossilen Energien unabhängige Wirtschaft zu schaffen. Können Steuersenkungen nach dem Gießkannenprinzip dazu beitragen? Natürlich kann man hoffen, dass mit Steuersenkungen eine Belebung der Wirtschaft stattfindet. Aber es ist eine gravierende Fehleinschätzung, dass damit die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaftsweise unterstützt würde. Eine Investition in bzw. eine Produktion mit dekarbonisierten Technologien führt zunächst zu signifikanten Kostenerhöhungen, die in einem globalen Wettbewerb nicht über Preise abgedeckt werden können und damit zu Margenverschlechterung, wenn nicht sogar zu Verlusten führen. Da hilft eine pauschale Steuersenkung rein logisch nicht, sondern nur gezielt eingesetzte Rahmenbedingungen.
Auch die polemische Ablehnung von „Verboten“ mag populär sein, ist aber vollkommen irreführend. Von einem Beispiel kann ich aus eigener Erfahrung als Manager bei Schott berichten: Das drohende Verbot der sogenannten FCKW nach den Montrealbeschlüssen 1987 führte zu einem enormen Innovationsdruck. Der Geschäftsbereich, für den ich 1990 Verantwortung übernommen hatte, drohte ein Drittel seiner Aufträge zu verlieren. Wir mussten Kurzarbeit beantragen, weil der wichtigste Kunde drohte, seine Aufträge zu stornieren. Aber parallel reagierten wir mit einer konzertierten Entwicklung, in Zusammenarbeit mit wichtigen Zulieferern. Mit Erfolg: wir konnten die globale Wettbewerbsfähigkeit nicht nur bewahren, sondern den Betrieb zu einem weltweit führenden Unternehmen ausbauen, und damit Arbeitsplätze in Deutschland schaffen und sichern. Es gibt viele weitere Beispiele – in der Industrie genauso wie in der Gesellschaft. Der Satz Annalena Baerbocks im zweiten TV-Triell, „Jedes Verbot ist (auch) ein Innovationstreiber“, klingt daher zwar im ersten Moment hart und autoritär, aber nur wirtschaftsferne Menschen können die positive Wirkung von gezielten Verboten für Innovation komplett in Abrede stellen.
Ihr Thomas Gambke
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Thesen zur Zukunftssicherung der stromintensiven Industrie
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Das GWD-Fachforum Energieintensive Grundstoffindustrie II hat am vergangenen Freitag ein Thesenpapier vorgelegt, das konkrete Maßnahmen für stromintensive Unternehmen vorschlägt. Damit soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen in der Transformation gesichert und Carbon Leakage verhindert werden.
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Foto: Gunnar Dethlefsen
"Mit diesem innovativen Konzept ist die stromintensive Industrie der Bundesregierung schon mehrere Schritte voraus. Eine auch zukünftig stabile Wirtschaft braucht verlässlich und bezahlbar grünen Strom. Dafür ist das vorgeschlagene Konzept mit Differenzverträgen ein intelligenter Ansatz. Außerdem muss sich die Umstellung auf klimafreundliche Prozesse endlich lohnen. Bisher wird sie am Strommarkt bestraft. Deshalb wollen wir Grüne die politischen Weichen für einen Strommarkt mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien auf den Weg bringen." Dr. Ingrid Nestle MdB Sprecherin für Energiepolitik Bundestagsfraktion B90/Die Grünen
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Hintergrund der Veröffentlichung ist, dass die stromintensive Industrie dringend verlässliche Rahmen- und Planungsbedingungen braucht. Die Sachlage ist komplex, über die Ausgestaltung muss fundiert und sachkundig gesprochen werden. Die Unternehmen aus den stromintensiven Industrien können im globalen Wettbewerb am Markt nur Marktpreise erlösen. Werden die Kos-ten durch die Transformation höher, bedeutet das weniger oder gar keine Marge (Gewinn). Ein Unternehmen, das keinen Gewinn macht, zahlt keine Steuern. Damit hat eine undurchdachte Unternehmenssteuersenkung nach dem Gießkannenprinzip keinen Effekt für die Transformation. Nur mit gezielt definierten Rahmenbedingungen, die die Transformation ökonomisch sinnvoll machen, werden Innovationen gefördert und kann Technologieoffenheit organisiert werden.
Dem setzt der GWD Vorschläge entgegen, wie sie von den am Ende des Papiers aufgeführten Unternehmen und Verbänden im Forum des GWD diskutiert werden. In diesen Diskussionen hat sich wieder gezeigt, dass die Unternehmen selbst inzwischen viel weiter als die bisherige Politik und in Richtung Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit unterwegs sind. Daher kann es nur darum gehen, diesen Weg zu unterstützen, statt an den ewig gleichen Rezepten von gestern oder gar vorgestern festzuhalten.
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"Um die stromintensive Industrie in Deutschland erfolgreich zu dekarbonisieren brauchen wir dringend Planungssicherheit für beide Seiten - die (zukünftigen) CO2-freien Stromerzeuger und die (zu transformierenden) industriellen Stromabnehmer."
Heribert Hauck Leiter Energiewirtschaft TRIMET Aluminium SE
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Ad-hoc Dialog „Energiepakt“
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"Politik muss auch mutig sein!"
Am 19. September veranstaltete der GWD einen Dialog zum Klima- und Industriepakt, den Annalena Baerbock am 18. Juni dieses Jahres veröffentlicht hatte. Mit dem Format boten wir unseren Mitgliedsunternehmen eine Plattform, sich dazu auszutauschen und direkt Einschätzungen und Empfehlungen mit der Sprecherin für Wirtschaftspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Katharina Dröge MdB, zu diskutieren.
Auch hier wurden die Hauptanliegen und -forderungen wieder deutlich: Essenziell für Planungssicherheit sind endlich klare Richtungsentscheidungen. Erst dann können größere Investitionen ausgelöst werden. Der CO2-Preis sollte das zentrale Steuerungsmittel werden. Grundsätzlich muss die Regulatorik flexibler werden, um Innovation zu schaffen und wirtschaftliche Lösungen zu ermöglichen.
Auch die internationale Perspektive wurde von vielen Diskussionsteilnehmer:innen betont: In der Bundesrepublik muss mehr über Energieaußenpolitik gesprochen werden. Deutschland wird auf absehbare Zeit erneuerbare Energien importieren müssen. Gleichzeitig sollten bisher ungenutzte Potentiale innerhalb Deutschlands berücksichtigt werden, z.B. der Ausbau von Solarenergie auf Gebäudedächern, sowohl im Wohn- wie auch Gewerbebereich. Auch die großen Potentiale der Sektorkopplung wurden erneut angesprochen.
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"Carbon Contracts for Difference/Contracts for Difference dürfen keine zu großen administrativen Hürden haben. Auch der energieintensive Mittelstand muss in die Lage versetzte werden seine nächste Produktionsanlage klimaneutral zu bauen.“
Christiane Nelles Referentin Energie und Klimapolitik Bundesverband Glasindustrie e.V.
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"Glencore Nordenham ist mit der Verhüttung von Zink- und Bleierzkonzentraten ein energieintensiver Standort - Strom und Gas sind daher essentiell wichtige Rohstoffe, deren Preis und Verfügbarkeit standortrelevante Faktoren sind. Eine klimaneutrale Neuausrichtung dieser Kern-Ressourcen ist uns besonders wichtig. Dafür bedarf es einer enormen technologischen und wirtschaftlichen Kraftanstrengung, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen Industrie und Politik gemeistert werden kann. Daher begrüßen wir ausdrücklich die Möglichkeit zum Dialog mit den zukünftigen Entscheidungsträgern unseres Landes, um über Rahmenbedingungen für eine klimaneutrale und wirtschaftliche Produktion am Standort in Nordenham zu sprechen und Kernforderungen der energieintensiven Industrie, wie Versorgungssicherheit, ausreichende Verfügbarkeit von Ökostrom zu wettbewerbsfähigen Preisen, Sicherung etablierter Carbon Leakage Vermeidungsmaßnahmen, reformiertes Energieabgaben- und Steuersystem, zu adressieren."
Tim Eshold Leiter Energiewirtschaft Nordenhamer Zinkhütte GmbH
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"Mit unendlich wiederverwendbaren Aluminiumprodukten für alle Bereiche einer modernen Gesellschaft tragen wir bereits zur CO2-Reduktion und dem Klimaschutz bei. So investierten wir in der jüngeren Vergangenheit einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag in NRW insbesondere in Anwendungen für den automobilen Leichtbau und beispielhafte Lösungen für Getränkedosenrecycling. Das Potential von Aluminium ist dabei noch lange nicht ausgeschöpft. Leider verzögern unklare energiepolitische Rahmenbedingungen und unsicherer Carbon Leakage Schutz derzeit den Ausbau unserer Wertschöpfung am Standort.“
Ute Jost Head of Energy Procurement Gas/ETS Speira GmbH
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"Der Austausch mit MdB Nestle und MdB Dröge im Rahmen des GWD hat deutlich gezeigt, dass die energieintensive Industrie den Hebel in Richtung Klimaneutralität entschlossen umlegen kann, wenn sie Zugang zu großen Mengen erneuerbaren Stroms zu international wettbewerbsfähigen Preisen erhält. Erneuerbarer Strom wird dringend als treibhausgasneutraler Rohstoff für die anstehende Dekarbonisierung gebraucht. International wettbewerbsfähiger Strom aus erneuerbaren Quellen ist AUCH die wesentliche Grundvoraussetzung für die Wasserstoffstrategie der Industrie auf dem Weg in die Klimaneutralität.“
Ulf Gerder Senior Manager Governmental Relations Wacker Chemie AG
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Neues Datenschutzgesetz in China
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Chinas Nationaler Volkskongress hat ein neues Gesetz zum Datenschutz verabschiedet, das zum 1. November in Kraft treten soll. Die von der Parteipresse als weltweit strengstes Gesetz zum Schutz der persönlichen Daten gefeierten Vorgaben zielen vor allem auf Chinas Tech-Konzerne ab, die in den vergangenen Jahren neben unglaublicher Marktmacht auch riesige Datenmengen angehäuft haben. Unternehmen, die mit personenbezogenen Daten umgehen, müssen nun etwa die Einwilligung der Betroffenen einholen und Nutzer umfassend über die Verwendung der Daten informieren. Darüber hinaus werden die Ernennung von Datenschutzbeauftragten und regelmäßige Prüfungen verpflichtend. Was auf den ersten Blick der europäischen DSGVO ähnelt, weist jedoch einen grundlegenden Unterschied auf: Der Datenzugriff seitens staatlicher Stellen bleibt von den neuen Regelungen größtenteils unberührt. Das neue Gesetz stellt somit auch kein Hindernis für die chinesische Führung dar, das angestrebte datenbasierte Social Scoring System einzuführen. Dass das absolute Hoheitsrecht hier beim Staat, und nicht bei Chinas Tech-Unternehmen liegen wird, hat die Regierung mit dem Gesetzesvorstoß deutlich gemacht. Weitere Informationen
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Dr. Paula Piechotta: Funktionierende Anreize für die medizinischen Innovationen von morgen
Die Fachärztin an der Uniklinik Leipzig und Spitzenkandidatin der Grünen in Sachsen Dr. Paula Piechotta plädiert in ihrem Blogbeitrag für neue Instrumente der Forschungsförderung abseits der Patentregelungen.
Zum Blogbeitrag
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Mitglied im Profil – Amir Roughani
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Mit der VISPIRON Gruppe habe ich 2002 meinen Traum vom eigenen Unternehmen realisiert. Im Laufe der Jahre haben sich nicht nur die Geschäftstätigkeiten enorm weiter entwickelt, wir sind seitdem auch rasant gewachsen. Inzwischen arbeiten 500 Tech-Enthusiasten und Green-Tech Entrepreneure in der Gruppe. Gemeinsam gestalten wir die Zukunft der Mobilität und Energie neu. Uns motiviert, die globalen Herausforderungen als unsere Mission zu sehen und sie durch adäquate Innovationen zu meistern. Dementsprechend ist es unser Ziel Future Mobility, Future Energy und Digital Transformation voranzubringen. Unsere Beteiligungen bieten das breite Portfolio an sicheren, grünen und vernetzten Produkten sowie Lösungen, um die Probleme, die wir alle täglich erleben, zu lösen. VISPIRON hat 2021 vom Deutschen Institut für Service-Qualität den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für sein Gesamtkonzept „Energy Eco System“ erhalten.
Mein Standpunkt zu Nachhaltigkeit Ich glaube an eine lebenswerte und nachhaltige Welt, die vollständig auf grüne Energie und Mobilität setzt. Die Probleme unseres Planeten werden nicht mit der Denkweise zu lösen sein, die sie erzeugt haben, dafür ist nun mal ein Umdenken notwendig. Mit VISPIRON und meinen Beteiligungen an anderen Unternehmen, unterstützen wir die Umsetzung von einigen der UN Sustainable Development Goals. Mein Ziel ist es mit unseren Produkten und Lösungen zu einer überlebensfähigen, lebenswerten und gerechten Welt beizutragen.
Das bringt mich zum GWD Thomas Gambke kam vor zwei Jahren mit der Idee beim GWD mitzuwirken auf mich zu. Mich hat das Konzept und die Zielsetzung, dass die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft in Dialog gestalten werden sollte, sehr angesprochen. Ich freue mich nun noch aktiver als bisher dazu beitragen zu können.
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Airbus rückt in den DAX auf
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„Mayors Alliance for the European Green Deal“
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30 Bürgermeister:innen aus dem europäischen Städtenetzwerk "Eurocities" haben sich zusammengeschlossen, um die Bedeutung der kommunalen Ebene für die erfolgreiche Umsetzung der EU-Klimaziele zu betonen. Bislang seien die Städte bei der Planung nicht genügend gehört worden, dort finde aber schließlich ein Großteil der Transformationsorganisation statt. Die Allianz will Lösungsansätze zur Erreichung der Klimaziele untereinander austauschen und für europäische Unterstützung für die Kommunen zur Bewältigung der transformativen Aufgaben werben. Weitere Informationen
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5. Deutscher Sustainable Finance Gipfel
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Das "Green and Sustainable Finance Cluster Germany" (GSFCG) richtet auch dieses Jahr den deutschen Sustainable Finance Gipfel aus: als hybride Konferenz am 15. Oktober. Ein Schwerpunkt des Gipfels wird es sein, Impulse für die neue Bundesregierung zu setzen. Weitere Informationen und Anmeldung
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Das GWD-Fachforum Innovation und Gute Gesundheit hat unter Federführung von Dr. h. c. Helmut Hildebrandt, Vorstandsvorsitzender der OptiMedis AG, das Konzept der “Regionalisierung” im vergangenen Jahr mit Akteuren aus Politik und Wirtschaft merhfach diskutiert und konkretisiert. Am 1. September ist nun der Herausgeberband "Zukunft Gesundheit – regional, vernetzt, patientenorientiert" erschienen, der die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Gesundheitsversorgung bündelt und verschiedene Perspektiven auf das Thema bietet.
Weitere Informationen zum Buch
Weitere Informationen zum GWD-Fachforum Gesundheit
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23.09. - Fachforum Mittelstand - Nachhaltigkeitsfaktor: Energie Digitale Konferenz
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V.i.S.d.P.: Dr. Thomas Gambke, Gabriele C. Klug Redaktion: Anna Cebotareva, Hagen Pietzcker
Herausgeber: Grüner Wirtschaftsdialog e.V. Dorotheenstr. 3 10117 Berlin +493028683434 info@g-wd.de www.gruener-wirtschaftsdialog.de
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