Zentrales Anliegen dieser Sitzung war die Zusammenstellung konkreter Ansatzpunkte und Vorschläge aus der Industrie für die Gestaltung eines Marktes von chemischen Energieträgern, in dem als Ziel die Produktion, Infrastruktur, der Transport ‚grüner‘ Energieträger (Wasserstoff, ‚Grünes‘ Methan, E-Fuels) ohne besondere permanente Förderung Geschäftsgrundlage für Unternehmen sein kann.

Am 22.04.2020, Videokonferenz

 

Ergebnisse und weiteres Vorgehen

Hintergrund und Zielsetzung des Gesprächs

Zentrales Anliegen der Sitzung des Fachforums: Zusammenstellung konkreter Ansatzpunkte und Vorschläge aus der Industrie für die Gestaltung eines Marktes von chemischen Energieträgern, in dem als Ziel die Produktion, Infrastruktur, der Transport ‚grüner‘ Energieträger (Wasserstoff, ‚Grünes‘ Methan, E-Fuels) ohne besondere permanente Förderung Geschäftsgrundlage für Unternehmen sein kann.

Ziele:

  1. Umsetzbarkeit der Vorschläge in Politik und Verwaltung
  2. Akzeptanz in der Öffentlichkeit

Wichtige aktuelle Randbedingung

Die Industrie bzw. Gesellschaft in der Coronakrise. Diese bereitet vielen Unternehmen gewaltige Probleme und bringt selbst solide Firmen an den Rand der Insolvenz. Daneben erzielen einige Branchen, bspw. die Medizintechnik, Online-Lieferdienste, digitale Lernformate, einen unerwarteten Boom. Software und Digitalisierung erfahren einen zusätzlichen Schub. Die Virus-bedingte Entschleunigung der Globalisierung ist eine große Herausforderung nicht nur für die Wirtschaft und den internationalen Handel, sondern vor allem auch für den Klimaschutz. Dieser ist ohne die globale Perspektive und Vernetzung nicht zu bewältigen. Aktuelle Aufgabe ist der zielgerichtete Wiederaufbau nach dem aktuellen Shutdown. Dabei kann nicht einfach der wirtschaftliche Status quo ante wiederhergestellt werden. Vielmehr soll und muss die konjunkturelle Belebung mit einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise verbunden werden (doppelte Rendite). Insofern kann die Corona-Krise auch eine Chance sein, Klimaschutz und ökologische Transformation konsequenter und entschiedener nach vorne zu bringen.

Diskussion

In der Diskussion wurden eine Reihe von Herausforderungen angesprochen, die den Markthochlauf von Wasserstoff und anderer emissionsarmer Kraftstoffe hemmen; von der Verfügbarkeit notwendiger Infrastruktur, über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, bis hin zu signifikanten First-Mover-Nachteilen. Immer wieder wurde dabei das Problem fehlender Planungssicherheit für Unternehmen betont.

(1) Fehlende Planungssicherheit für Unternehmen

Bevor Kosten und Erträge kalkuliert und Investitionen getätigt werden können, müsse ein stabiler gesetzlicher Ordnungsrahmen bestehen, der verlässliche Planungen über 15 Jahre, bei manchen Infrastrukturmaßnahmen 30 und mehr Jahre zulässt. Z.B. staatliche OPEX-Förderungen unter den gegebenen, volatilen Rahmenbedingungen würden ihre Wirkung verfehlen. Insgesamt wurde betont, dass nicht ein Mangel an finanzieller Förderung das hauptsächliche Hindernis sei, sondern ein unsicheres regulatorisches Umfeld, in dem notwendige Investitionen aufgrund fehlender langfristiger Planungssicherheit nicht entschieden werden können. Wichtiger als Kompensation von wirtschaftlichen Risiken seien stabile, langfristige Rahmenbedingungen.

(2) Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von emissionsarmen Energieträgern

Das grundlegende Problem bei der Einführung klimaschonender Kraftstoffe wie Wasserstoff sei mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit. In der Herstellung von Wasserstoff ergebe sich ein Preisunterschied von 700€ bis 800€ pro Tonne zu konventionellen Kraftstoffen. Dieser könne nicht einfach über höhere Emmissionsabgaben ausgeglichen werden; diese müssten ansonsten unrealistisch hoch sein. Bedenken wurden zudem bezüglich einer direkten Preislenkung geäußert, die im Widerspruch zur Grundidee des EU ETS, nämlich Preisbildung über eine Mengenfestlegung von CO2-Emissionen, stehe.

(3) Energiepreis-Reform ist gut, aber ungenügend

Eine Energiepreis-Reform, wie sie jüngst von Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrates, vorgeschlagen wurde, wäre zwar ein Schritt in die richtige Richtung, würde aber bei weitem nicht ausreichen, um synthetischen Kraftstoffen zur Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen. Dazu brauche es weitere Maßnahmen, etwa eine Beimischquote und Vergünstigungen für E-Fuels in bestimmten Sektoren (z.B. Luftfahrt).

(4) Carbon Contracts for Difference

Bedenken gab es auch im Hinblick auf Carbon Contracts for Difference (CCfDs). Hier habe man das Problem, dass die Herstellung zwar subventioniert würde, sich dadurch aber keine tragfähigen Geschäftsmodelle entwickelten. Sobald Förderungen durch CCfDs auslaufen, müsse die Produktion wieder eingestellt werden. Eine Skalierung könne dabei nicht einfach alle praktischen Probleme, die Geschäftsmodelle bereits im kleinen Rahmen aufweisen, lösen. Langfristige Planungen seien insbesondere bei zeitlich begrenzten CCfDs nicht möglich. Außerdem wurde der Idee bereits aus der Politik eine klare Absage erteilt.

(5) Fehlanreize und Hürden durch gesetzliche Vorgaben

Einige gesetzliche Regelungen und EEG-Vorgaben würden Fehlanreize für den Einsatz von emissionsarmen Energieträgern setzen. Beispielsweise gebe es momentan keine Anerkennung von Wasserstoff für Ausnahmeregelungen; ab dem Zeitpunkt, in dem er in Pipelines eingeführt werde, müsse auf Wasserstoff die volle EEG-Umlage bezahlt werden. Generell unterscheide man unzureichend zwischen blauem und grünem Wasserstoff. Die bis zu zwei-jährige Wartezeit auf Genehmigungen für Neugründungen von Unternehmen müsse verkürzt werden. Weitere Investitionsbremse sei der Begrenzungszeitraum der Genehmigung von Ausgleichsregelungen auf 12 Monate mit einer entsprechenden Unsicherheit für größere Zeiträume. Alternativ müsse eine Zusage für die gesamte Laufzeit eines Projekts erfolgen.

(6) Ausgleich von First-Mover-Nachteilen

First Movers hätten stets einen Kostennachteil bei Projekten mit Wasserstoff und würden mit der erstmaligen Einführung emissionsarmer Kraftstoffe enorme Risiken eingehen. Oft profitiere die Konkurrenz von der Erprobung dieser Technologien durch Pioniere. Eine wichtige Frage sei daher, wie First Movers unterstützt werden können, damit Firmen weiterhin die technologische Entwicklung und den Markthochlauf solcher Kraftstoffe anstoßen, ohne sich dabei einem zu großen wirtschaftlichen Risiko auszusetzen. Kompensation solcher Risiken sei jedoch unter Gesichtspunkten der Beihilferichtlinien schwierig. Auch hier bevorzugt die Industrie dauerhafte staatliche Garantien, anstelle von ex-post Maßnahmen.

(7) Umrüstung von Infrastruktur und Vermeidung von Lock-in Effekten

Unabhängig von der Wirtschaftlichkeit der Herstellung synthetischer Kraftstoffe, muss auch die notwendige Infrastruktur für ihren Transport bestehen. Hier solle vor allem existierende Infrastruktur (Pipelines) umgerüstet und ausgebaut werden, damit diese bspw. für Wasserstoff-Transporte genutzt werden könne. Dafür dürfe es keine pauschale Kategorisierung von Pipelines als „fossile” Infrastruktur durch die Politik geben. Dennoch müssen Lock-in Effekte, also die verstärkte Nutzung fossiler Energieträger durch den Ausbau dieser Transportinfrastruktur, vermieden werden. Wie dies zu schaffen sei, sei aktuell eine fraktionsübergreifende Diskussion in der Politik. Zudem müsse die Wasserstoff-Infrastruktur global gedacht werden. Die internationale Schifffahrt bspw. könne nicht auf Wasserstoff als Kraftstoff umstellen, wenn dafür keine weltweite Verfügbarkeit existiere. Die Debatte solle daher international geöffnet werden.

(8) Streitpunkt Batterie versus Wasserstoff und E-Fuels

Die Politik dürfe synthetische Kraftstoffe nicht als Konkurrenz zur Elektromobilität wahrnehmen. (s. auch Ergebnisse vom 04.03.) Bei allen Transportaufgaben mit schwereren Lasten auf der Straße, Wasser und in der Luft sind aufgrund der spezifischen Parameter für die Speicher (kg/kWh, qm/kWh) allein chemische Energieträger (Wasserstoff, Gas, E-Fuels) einsetzbar und müssten daher dieselbe Unterstützung wie der Batteriespeicher erfahren.

(9) Wichtige Handlungsfelder für die Politik

  1. Umsetzung der EU RED-II-Richtlinien (bis Juli 2021) in nationale Gesetze und Verordnungen.
  2. Neuordnung des Strommarktes (Strompreis ohne die Kosten der Energiewende und Stromsteurern)
  3. Erneuerbare Stromquelle und Produktion von Grüner Energiequellen als einen Prozess anerkennen, Abschaffung des Zwangs zur räumlichen und juristischen Kombination von Erzeugung von erneuerbarem Strom und Produktion von chemischen Energieträgern
  4. Einführung von Beimischungsquoten für grüne chemische Energieträger für eine Übergangszeit