Beim Austausch mit MdB Claudia Müller, Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der TU Hamburg, und Daniel Rieger, Leiter Verkehrspolitik, Nabu, ging es um das Potenzial der verschiedenen Kraftstoffe ebenso wie um Energiestransport und vor allem: Wie sich die Rahmenbedingungen ändern müssen, um den Transformationsprozess zu unterstützen.
Am 04.03.2020 in Berlin
Ergebnisse
Kernaussagen
- Nicht ob, sondern wie – das Ziel der Dekarbonisierung ist unstrittig, sowohl in Gesellschaft als auch Wirtschaft, aber der Weg der Transformation hin zu klimaneutraler Industrie und Verkehr muss geklärt werden.
- Wir sind auf synthetische Kraftstoffe angewiesen – das Potenzial der Elektrifizierung ist begrenzt, der Bedarf an flüssigen und gasförmigen Kraftstoffen ist hoch und wird es auch in Zukunft bleiben. Bio-Fuels können diesen Bedarf allein nicht abdecken.
- Das Potenzial strombasierter Kraftstoffe ist noch lange nicht ausgeschöpft, allerdings ist die Wissenschaft sich bisher uneinig über die Produktionskosten (Schätzungen reichen von 2 bis 5€ pro Liter).
- Bei der Debatte um emissionsarme Energieerzeugung müssen wir den emissionsarmen Energietransport mitdenken.
- Es darf sich nicht allein auf Deutschland konzentriert werden – Dekarbonisierung ist eine globale Herausforderung und Lösungsansätze müssen Verdrängung von Emissionen aber auch effizientere Produktionsmöglichkeiten im Ausland berücksichtigen.
- Technologieoffenheit ist ein wichtiger Diskussionspunkt – sie ist wichtig, um eine irrtümliche Festlegung durch den Staat zu vermeiden, kann jedoch auch einer notwendigen Fokussierung bei der Förderung klimaneutraler Energieträger im Weg stehen.
Energieversorgung:
- Photovoltaik kann zukünftig eine größere Rolle bei der Stromerzeugung spielen – wir beobachten einen signifikanten Preisverfall bei der Bereitstellung von Photovoltaik-Anlagen bei gleichzeitiger Steigerung des Wirkungsgrads. Eckdaten sind: Gestehungskosten heute in unseren Breiten bei 4 bis 5 Cent/kWh, im Sonnengürtel gegen 2 Cent/kWh. (Nordafrika, Naher Osten, aber auch südlich Äquator (u.a. Australien). Die o.a. Preisangaben basieren auf einem ROI von 20 Jahren. Solarmodule kommen im Vergleich zu Windenergieanlagen weitgehend ohne bewegliche Teile auskommt aus. Nach 20 Jahren werden sie weiterhin Strom produzieren (auch wenn die Leistung kontinuierlich abfällt), aber praktisch keine Kosten (abgesehen von minimale Unterhaltungskosten) verursachen.
- Solarstrom wird nur zu bestimmten Zeiten verfügbar sein, dann jedoch reichlich und deutlich günstiger. Der Strompreis wird also nicht durch die Stromproduktion sondern im wesentlichen durch den Stromspeicher bestimmt sein.
- Der Preisverfall bei der Stromerzeugung wird den Marktdruck für die Entwicklung von Speichertechnologien weiter deutlich erhöhen, um die relativ deutlich höheren Speicherkosten zu reduzieren.
- Deutschland als Industrienation wird auch in Zukunft auf Energieimporte angewiesen sein, wir sollten die heimische Entwicklung von Photovoltaik vorantreiben, um diese dann im großen Stil in den sonnenreichen Regionen des Mittleren Ostens und Nordafrikas einzusetzen. Dabei dürfen wir die rechtzeitige Kooperation mit diesen Ländern nicht vernachlässigen.
Verkehr:
- Aufgrund unterschiedlicher Anforderungen verschiedener Transportmittel, werden wir eine erhebliche Diversifizierung von Antriebstechnologien beobachten, dabei sind die Schwerpunkte in der nicht-fossilen Energiespeichertechnologie unstrittig.
- Frachtverkehr in Luft- und Schifffahrt wird aufgrund langer Distanzen und hoher mechanischer Leistungsanforderungen hauptsächlich auf strombasierte und Bio-Kraftstoffe setzen, elektrische Antriebstechnologien sind hier keine Option
- LKWs und Busse werden voraussichtlich auf Wasserstoff und Brennstoffzellen setzen,
- PKWs können größtenteils Batterie-elektrisch angetrieben werden, im Straßenverkehr werden wir allgemein eine größere Vielfalt und Konkurrenz von Antriebstechnologien sehen.
- Dabei wird die Energieintensive Industrie in hohem Maße flüssige und chemische Energieträger benötigen, in Hinblick auf die Infrastruktur und mögliche Sektorkopplung sind die Bedarfe dieser Industrie, einschließlich CCS und CCU beim Einsatz nicht-fossiler Energieträger im Verkehr bei der Entwicklung der Infrastruktur mit zu berücksichtigen.
Förderinstrumente:
- Es existieren unterschiedliche Ansätze den Einsatz emissionsarmer Energieträger zu fördern und einen Markthochlauf klimaneutraler Kraftstoffe voranzutreiben:
o Förderung der Produktion, bspw. durch Ausschreibungen in Anlehnung an das EEG
o Schaffung von Nachfrage, bspw. über Beimischungsquoten bei Kraftstoffen im Luft- und Schiffsverkehr oder durch steuerliche Anreize auf Grundlage von CO2-Emissionen, Vorgaben bei der öffentlichen Nachfrage (z.B. bei der Bundeswehr) - Zentraler Diskussionspunkt war, ob effektive Förderung regulatorische Zwänge (Quoten und Verbote) erfordert, um aus einem eingefahrenen System auszubrechen, oder allein über Anreizschaffung, die weniger stark in die unternehmerische Freiheit eingreift, erfolgen kann.
- Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass Förderung nur als Starthilfe für nachhaltige Geschäftsmodelle, die sich langfristig ohne Fördermittel tragen, dienen darf.
- Einigkeit herrscht auch darüber, dass in der – wichtige und für den Klimaschutz in Hinblick auf das 2 Grad Ziel entscheidenden – Transformationsphase andere Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen als im ‚eingeschwungenen‘ Zustand. Problematisch ist dabei, die für den Anfang richtigen Instrumente mit der fortschreitenden Entwicklung zeitgerecht weiterzuentwickeln, ggf. wieder abzuschaffen/einzustellen. Denn Investitions- und Herstellkosten sowie Markt und globale – auch geopolitische – Entwicklung sind nur mit großer Unsicherheit heute vorhersehbar.
- Wegen dieser Unsicherheit die Entscheidung und der Aufbau geeigneter Governancestrukturen zur Weiterentwicklung der Instrumente von hoher Bedeutung, Stichwort Projektmanagement (Ressort-übergreifende Entscheidungskompetenzen und Budgetverantwortung, klare Eskalationsstrategien, um zeitraubende Suche bzw. einen zu späten Abschluss von Lösungskompromissen zu verhindern. („Die Fläche unter der Kurve der CO2 Belastung ist entscheidend“).
Falls Sie Interesse haben, diesen Themen mit uns gemeinsam nachzugehen, kontaktieren Sie uns unter info@g-wd.de.