Viele deutsche Unternehmen sehen den Fachkräftemangel als großes Risiko für ihren Unternehmenserfolg. Was muss geschehen, damit Deutschland für Zuwanderer wieder attraktiver wird? Im LTT Zeitenwende  mit Misbah Khan MdB, Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages, Dr. Tanja Fendel, Bereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung (INTER) am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), und Kristin Hühnergarth, REWE Group, sowie weiteren Teilnehmenden aus der Mitgliedschaft wurden die Chancen, Herausforderungen und Möglichkeiten der Fachkräfteeinwanderung in Deutschland diskutiert.

Dr. Tanja Fendel – (C) DiCV/Jo Schwartz

Dr. Tanja Fendel bewertet die bisherigen Anstrengungen, um Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, als unzureichend und möchte daher auch Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integrieren:

„Die rechtlichen Änderungen im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetz stellen wichtige Erleichterungen für den Zuzug von Fachkräften nach Deutschland dar, eine substanzielle Erhöhung der Fachkräftezuwanderung ist jedoch nicht zu erwarten. Hierfür wären wahrscheinlich maßgebliche Reformen zur Vereinfachung der Gleichwertigkeitsprüfungen ausländischer beruflicher Abschlüsse erforderlich.“

Die in den letzten Jahren und seit Anfang des Jahres nach Deutschland gekommenen Geflüchteten können zur Reduzierung des Fach- und Arbeitskräftebedarfs beitragen, auch wenn mit der Schutzgewährung durch das Asylsystem auf Grundlage des Grundgesetzes und der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands primär andere Ziele als die Steuerung der Arbeitsmigration im Vordergrund stehen. Für die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter kommt neben der Unterstützung bei der Arbeitssuche und -vermittlung der Deutschspracherwerb (auch im Rahmen der Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen), die Beratung zur Anerkennung beruflicher Abschlüsse sowie umfassende Bildungs- und Weiterbildungsangebote eine hohe Relevanz zu, um zu vermeiden, dass ein Großteil der Geflüchteten langfristig unterhalb der eigenen Qualifikation beschäftigt ist. 

Misbah Khan MdB ging dabei auf mangelnde attraktive Angebote für Fachkräfte aus dem Ausland ein, darunter Bildungschancen und Integrationsmöglichkeiten auch für Familien. Außerdem sei ein gesamtgesellschaftlicher Wandel dringend nötig, damit die ca. 400.000 fehlenden Fachkräfte auch langfristig im Land bleiben: 

„Unsere Wirtschaft ist nicht zuletzt angesichts der demographischen Entwicklung dringend auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz werden wir bürokratische Hürden abbauen und Verfahren digitalisieren, damit der Zuzug endlich schneller und einfacher gelingt. Als Gesellschaft müssen wir uns jedoch auch die Frage stellen, wie wir mit Migrant*innen umgehen. Hass, Hetze und Ausgrenzung sind keine Werbung für ein Einwanderungsland.“

Kristin Hühnergarth


Kristin Hühnergarth der REWE Group betont, dass auch die Anerkennung nichtakademischer Berufe in Deutschland vereinfacht werden muss:
„Die Diskussion um den Fachkräftemangel greift leider zu kurz: Es fehlt mittlerweile an Kräften auf allen Qualifizierungsniveaus – wir sprechen längst von einem Arbeitskräftemangel. Entscheidend wird für Branchen wie der Unseren zudem sein, dass die nun diskutierten Maßnahmen endlich auch stärker auf nicht-akademische Berufe abzielen.“