Dieses Papier wurde als Ergebnis des ad-hoc Forums „Schnellladegesetz“ am 30. März 2021 des Grünen Wirtschaftsdialogs von Dr. Katharina Boesche erstellt, die die Veranstaltung vorbereitet und moderiert hat. Es wirft zugleich einen Blick auf das im Juni vom Bundesverkehrsministerium veröffentlichte Konzept und die Vorabinformationen der Ausschreibung der 1000 HPC-Schnellladesäulen vom 16. 8. 2021. Das Papier fußt auf einer Reihe von bilateralen Gesprächen und insbesondere den Bewertungen der Teilnehmer:innen des ad-hoc Forums zum Schnellladegesetz. Naturgemäß gibt es nicht in jedem Punkt die Meinung aller Beteiligter wieder. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin.

 

Ganz schnell mal ein Gesetz…

– Anmerkungen zum Schnellladegesetz zum Aufbau von 1000 High Power Charging-Ladehubs –

Der Referentenentwurf (RefE) des SchnellLG kam kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 2020 so leise, dass die sehr kurze Frist zur Stellungnahme der Verbände bis zum Dreikönigstag nur sehr wache Geister wahrnehmen konnten. Es reichte immerhin für einige 100 Änderungswünsche.

Um was geht es? Es sollen 1000 HPC-Standorten mit einer Leistung von über 150 kW vom Bund mit 1,9 Mrd. € finanziert werden, die flächendeckend für das schnelle Laden reiner Batterieelektrofahrzeuge sorgen sollen. In Losen sollen wirtschaftlich attraktive und unattraktive Gebiete gebündelt werden.  

Seit dem RefE hat es aufgrund der Kritik vieler Marktplayer einige Häutungen des Entwurfs gegeben. Vom Bundestag verabschiedet wurde das Gesetz am 21. 5. 2021, vom Bundesrat am 25. 6. 2021 – mit einigen sinnvollen Änderungen (größere Anzahl an Losen, so dass sich auch kleinere Unternehmen beteiligen können; Berichtspflicht nicht erst nach 5, sondern schon nach 2 Jahren; nicht zwingend Einbringen eigener Standorte, Einbeziehung unbewirtschafteter Autobahnrastplätze).

Die Unternehmen, die bislang in den Aufbau von Ladepunkten (LP) investiert haben, sehen durch das Gesetz die Gefahr einer „Überförderung“. Wenn Errichtungs- und Betriebskosten übernommen werden, entsteht die Gefahr des Preisdumpings, da an den vollständig vom Bund finanzierten Standorten deutlich günstigere Preise genommen werden können. Soll für die anvisierten 14,8 Mio. Elektrofahrzeuge (sowohl BEV wie PHEV) in 2030 (laut Studie der Leistelle/NOW) ausreichend LP geschaffen werden, wird es auch weiterhin auf das private Engagement der Betreiber ankommen.

Das im Juni veröffentlichte Ausschreibungskonzept sieht zum einen die Finanzierung von mind. 4-5 Autobahnlosen vor, die sich auf 200 Standorte entlang der Bundesautobahnen verteilen. Dabei werden auch unbewirtschaftete Autobahnrastplätze mit einbezogen, die im Bundeseigentum stehen. Daneben sind mind. 18 Regionallose vorgesehen (Aufteilung in 6 bundesländerübergreifende Gebiete, 3-4 Lose pro Region). In jeder Region sollen je ein kleines Los von rd. 20 Standorten und 2-3 weitere Lose mit je ca. 50-70 Standorten ausgeschrieben werden. Ziel ist, den nächsten HPC innerhalb von 10 min. zu erreichen – in der Stadt, auf der Landstraße und auf der Autobahn. An Autobahnen heißt dies, dass die Ladestandorte ca. alle 15-30 km geschaffen werden sollen.

Das Ausschreibungskonzept lässt noch einige Fragen offen, so z.B. was gilt, wenn in den vorgegebenen Suchräumen keine Standorte gefunden werden können („Stecknadel im Heuhaufen“), bis zu welchem Zeitraum im Verfahren muss der Betreiber die konkreten Grundstücke benennen bzw. was gilt, wenn nach Vergabe kein Standort rechtzeitig gefunden wird (Sanktionen/Bußgelder),  was gilt, wenn das Erschließen des Netzanschlusses mehr Zeit benötigt als erwartet, bis zu welchem Zeitpunkt muss der Betreiber mit der Bebauung der Grundstücke beginnen, ohne die Mittelrückzahlung zu riskieren, wenn Genehmigungsverfahren sich verzögern und wie wird sichergestellt, dass beantragte Standorte auch umgesetzt werden?

Eines ist durch die Vorabinformation am 16. 8. 2021 deutlich geworden: die befürchtete Sorge eines Preisdumpings für alle, die bislang in den Aufbau von Schnellladeinfrastruktur investiert haben (6.750 öffentlich zugängliche Schnellladepunkte lt. BNetzA, Stand 1. 8. 2021) und die weiterhin vorhaben, privat in den Aufbau z. T. gemeinsam mit Retailern zu investieren, hat sich bewahrheitet. Der Staat gibt einen Brutto-Verkaufspreis an den öffentlich zugänglichen HPC-Standorten des Deutschlandnetzes von 44,03 Cent pro kWh vor. Ausgegangen wird von einem Strom-Einkaufspreis von 20,23 Cent aus. 17,85 Cent des Preises sollen an den Staat zurückgezahlt werden, verbleiben 5,95 Cent Gewinnmarge für den Ladepunktbetreiber. Nicht nur der Bestand privat finanzierter DC-Ladeinfrastruktur, sondern auch der Bestand der AC-Ladeinfrastruktur wird dadurch gefährdet. Denn die Fahrzeugnutzer werden mit den Füßen abstimmen, ob sie lieber langsamen Strom für 38 Cent/kWh wollen oder superschnellen Strom für 44 Cent/kWh. Da die Gewinne an den Bund ausgezahlt werden sollen (was logische Folge einer 100 % Finanzierung ist), fragt es sich, welche Unternehmen sich angesprochen fühlen, die Betreiberschaft solcher Bundesladehubs zu übernehmen. Die Bundesfinanzierung der Betriebskosten soll sich über 8-jährige Betriebsdauer erstrecken, im Gegenzug dazu herrscht auch 8 lange Jahr das Preisdiktat, danach soll es eine Eingliederung des Deutschlandnetzes in den Wettbewerb geben. Ob dann noch von einer wettbewerblichen Struktur des Marktes etwas übrig ist, darf gefragt werden.

Darüber hinaus wird dazu verpflichtet, ein Kartenlesegerät und ein Pinpad zu verbauen. Die +150 kW-Lader sollen überdies eichrechtskonform sein und ISO 15118-ready. Zwar gibt es seit ein paar Monaten die ersten eichrechtskonformen HPC-Ladesäulen mit Leistungen von über 150 kW, doch haben diese nach Kenntnis der Verfasserin kein Pinpad verbaut. D.h. sie müssten in eine Rezertifizierungsschleife der ohnehin nicht unterbeschäftigten Konformitätsbewertungsstellen eintreten. Auch zur Umsetzung des Standards ISO 15118 sind weder alle Ladesäulen, noch alle Fahrzeuge gerüstet.

Für eines der größten Hemmnisse des Aufbaus von Ladeinfrastruktur – den langwierigen Genehmigungsverfahren – zeigt auch das SchnellLG keine Lösung auf.

Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wann die ersten HPC-Hubs dieses weiteren Deutschlandnetzes in Betrieb genommen werden.

Verfasst von Dr. Katharina Vera Boesche, Rechtsanwältin in Berlin

 

Teilnehmer:innen des ad-hoc Forums „Schnellladegesetz“ am 30. März 2021*

Boll, Linda                                     Fastned

Dr. Brandis, Ruprecht               Europe SE

Fest, Claus                                     EnBW

Harms, Werner                           EWE-GO

Keller, Michael                           Volkswagen

Dr. Pfeiffer, Andreas                 stealth-mode green venture i.G.

Rehm, Andreas                           Autobahn Tank & Rast GmbH

Roughani, Amir                          VISPIRON CHARGE-V

Schulte, Ulf                                  Allego

Schüren, Roland                        Ladepark Kreuz-Hilden

Wittemann, Jörg                        Tesla Germany

Zierul, Tina                                   Charge Point

Ziriakus, Dominik                       IONITY

*Die Teilnehmer waren mit der Nennung ihres Namens und des Unternehmens einverstanden.