Interview

Marco Walker, COO, Asklepios Kliniken

Asklepios ist einer der führenden Krankenhausbetreiber in Deutschland. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Gegenwart und für die Zukunft der deutschen Krankenhauslandschaft?

Die aktuelle Struktur mit sehr vielen, aber chronisch unterfinanzierten Krankenhäusern ist nicht zukunftsfähig. Wir brauchen deutlich weniger, aber besser ausgestattete und spezialisierte Kliniken, die integrierte Behandlungskonzepte, beginnend von der Prävention bis hin zur Rehabilitation, anbieten. Digitale Konzepte wie telemedizinische Netzwerke, durch Datenanalyse individualisierte Therapien und der Einsatz von selbstlernenden Programmen in Diagnostik und Behandlung werden die medizinische Versorgung verbessern, zugleich werden räumliche Entfernungen damit eine geringere Rolle spielen.

Was wäre Ihr Vorschlag für eine Umstrukturierung des Systems? (Welche Vor- und Nachteile würden sich daraus ergeben?)

Die Digitalisierung wird sich ohnehin als Game-Changer im Gesundheitswesen erweisen und gibt uns so die Chance eines radikal neuen Ansatzes: Statt den Status quo zu bewahren, sollte die Versorgung vom Patienten und seinen Bedürfnissen aus konzipiert werden. Erleichtert wird es durch eine Plattformökonomie. Sie ermöglicht durch transparente Information und Angebote mündige Entscheidungen des Patienten und macht ihn so zum Souverän über die eigene Gesundheit. Rein anbieterorientierte Strukturen wie Sektorengrenzen und hausinterne Lösungen haben ausgedient. Die Zukunft gehört Best Practise-Modellen, einer Kultur der Zusammenarbeit und ganzheitlichen Versorgungsmodellen wie z.B. Capitation.

Gesundheit und Gewinne – für viele an sich ein Widerspruch. Wie gehen Sie mit dem Gemeingut Gesundheit um?

Um das Gemeingut Gesundheit für die Bevölkerung längerfristig vorhalten zu können, bedarf es vieler Ressourcen: geeignete Infrastruktur, gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter und Fachwissen, das ständig aktualisiert wird. Um all das leisten zu können, muss man wirtschaftlich arbeiten. Das gilt vom Physiotherapeuten über die ärztliche Praxis bis zum Klinikkonzern. Nur wer Gewinne erwirtschaftet, kann seinen Mitarbeitern eine nachhaltige Perspektive bieten und investieren. Entscheidend ist, was mit Gewinnen geschieht. Es ist völlig absurd zu glauben das das im Gesundheitswesen z.B. bei kommunalen Kliniken anders wäre. Wer nachhaltig investieren will, brauch Überschüsse also Gewinne. Sonst ist er auf Subventionen angewiesen.

Ein Beispiel: Beim direkten Vergleich der Klinikverbünde der Stadtstaaten (GeNo in Bremen, Vivantes in Berlin und Asklepios in Hamburg) fällt auf: Viele Herausforderungen und Konflikte sind ähnlich und trägerunabhängig. Bei den Investitionen hingegen gibt es den größten Unterschied: Hier hat Asklepios den bei Übernahme bestehenden Stau durch die Investition von Gewinnen weitgehend abgebaut, während andere bereits im laufenden Betrieb defizitär arbeiten, geschweige denn aus eigener Kraft investieren können.

Wo sehen Sie mittel- bis langfristige Konsequenzen der Corona-Krise für Ihre Branche?

Drei Punkte:

1. Die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen mit Videosprechstunden, Telemedizin, elektronischer Terminbuchung, Plattformlösungen etc. überfällig ist. Wir können uns hier keine weiteren Verzögerungen leisten, sondern müssen international aufholen.

2. Das DRG-System funktioniert in der Pandemie-Situation nicht, weil es keine Vorhaltekosten berücksichtigt. Deswegen diente der „Rettungsschirm“ letztlich zur Erstattung des Aufwands, die Betten freizuhalten und v.a. für Corona-Patienten bereitzustehen. Hier müssen wir mindestens für solche Krisen andere Formen der Finanzierung diskutieren.

3. Auch sollten wir über alternative Modelle der Versorgung nachdenken. Gerade im ländlichen Raum wäre Capitation eine Möglichkeit: Ein Anbieter versorgt eine ganze Region, von der Prävention bis zur Nachsorge, stationär wie ambulant. Obwohl in der Corona-Krise die Zusammenarbeit unterschiedlicher Anbieter und Träger relativ gut geklappt hat und sie jeweils ihre Stärken eingebracht haben, würde Capitation die Koordination und Organisation erleichtern, sodass wir künftig besser gerüstet wären.