Interview
Katharina Dröge, MdB
Katharina Dröge ist seit September 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen. Seit Januar 2018 ist sie Parlamentarische Geschäftsführerin und Mitglied im Fraktionsvorstand der Grünen Bundestagsfraktion. Im Oktober 2019 wurde die Diplom-Volkswirtin zur Sprecherin für Wirtschaftspolitik gewählt. Katharina Dröge lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Köln.
Frau Dröge, Ihr politisches Engagement begann ja recht früh. 2000 sind Sie den Grünen beigetreten – was hat Sie als 16-Jährige zu diesem Schritt bewegt? Welches Thema hat Sie damals insbesondere beschäftigt?
Bei der Grünen Jugend bin ich sogar schon mit 14 eingetreten. Dafür musste ich zusammen mit anderen in dem Dorf im Münsterland, wo ich aufgewachsen bin, erst mal eine Ortsgruppe gründen. Ich bin zu den Grünen gekommen, weil ich für Umwelt- und Tierschutz kämpfen wollte. Später wurde die Frage, wie man Globalisierung gerecht gestalten kann, zu meinem politischen Schwerpunktthema. Das war auch der Grund, warum ich mich für ein VWL-Studium entschieden habe.
Das war die Zeit der rot-grünen Bundesregierung …
… in der wir damals auch viel erreicht haben. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist bis heute für mich ein Vorbild für gute Wirtschafts- und Energiepolitik. Ohne das EEG hätte es die für den Klimaschutz so zentrale Energiewende in dieser Form nie gegeben. Es hat Energieversorgung dezentralisiert und die Macht der großen Energieversorger beschränkt. Auch der damalige Atomausstieg war eine große Leistung. Gleichzeitig war es aber die Zeit der Agenda 2010, die ich von Anfang an kritisch gesehen habe. Deshalb bin ich sehr froh über die heutige Sozialpolitik der Grünen im Bundestag, etwa mit der Forderung nach einer sanktionsfreien Grundsicherung.
Nach dem Studium haben Sie als Referentin im NRW-Umweltministerium gearbeitet. Kam in dieser Zeit erstmals der Gedanke auf, sich selbst zur Wahl zur stellen, oder bestand die Idee schon länger?
Nach dem Studium wollte ich eigentlich in die Wissenschaft gehen, aber dann bekam ich das Angebot, im Ministerbüro des nordrhein-westfälischen Umweltministers Johannes Remmel zu arbeiten. Ich hatte dort zum einen die Aufgabe, für die grün-geführten Ministerien die Haushalts- und Finanzpolitik des Landes zu bewerten. Zum anderen war es mein Job, Kontakt zu den Oppositionsfraktionen im Parlament zu halten. Rot-Grün bildete damals eine Minderheitsregierung in NRW. Ich habe daher für zentrale Gesetzentwürfe wie etwa das nordrhein-westfälische Klimaschutzgesetz geworben. In der Zeit habe ich den parlamentarischen Betrieb von innen kennengelernt und gemerkt, dass es mir Spaß macht, an konkreten Gesetzesvorhaben zu arbeiten. Das hat mich bewogen, später selbst für ein Mandat zu kandidieren.
Gab es etwas, was Sie an der Arbeit eines MdB grundlegend überrascht hat, nachdem Sie 2013 in den Bundestag gewählt wurden?
Durch meine Arbeit im Ministerium wusste ich ungefähr, was mich erwartet. Ich habe mich aber darüber gefreut, dass das Bild vom Berliner Haifischbecken so nicht zutrifft. In der Fraktion arbeiten wir generell kollegial und freundschaftlich miteinander. Schön war auch, dass ich gleich einen Platz in meinem Wunschausschuss, dem Wirtschaftsausschuss, bekommen habe, und die Zuständigkeit für Handel und Wettbewerb, was mir sehr wichtig war. Eine kleine Überraschung war, wie klein der Plenarsaal ist – der wirkt im Fernsehen viel größer.
Seit Oktober nun die Position als Sprecherin für Wirtschaftspolitik. In einer Zeit, wo die Grünen das Thema nun auch im Auge der Öffentlichkeit immer mehr für sich gewinnen, eine besonders spannende Rolle. Wo sehen Sie die besondere Kompetenz der Grünen in puncto Wirtschaftspolitik?
Wir wissen, dass der Klimawandel die zentrale Herausforderung für die Menschheit ist. Das hat Folgen für alle Politikfelder, aber ganz besonders für die Wirtschaftspolitik. Wir wollen den Umbau der Wirtschaft zu klimaneutralen Produktionsweisen anstoßen, ermöglichen und absichern. Gelingen wird dies nur, wenn Politik dafür sorgt, dass nachhaltig hergestellte Produkte eine faire Chance haben. Dazu brauchen wir eine Mischung aus ordnungspolitischen und Förderinstrumenten. Das ist eine riesige Aufgabe, die außer uns im Detail keine andere Partei angeht.
Dass im Klimapaket der Bundesregierung keine Maßnahmen vorgesehen sind, die diesen Umbau unterstützen, ist ein großer Fehler. Umso mehr freuen wir uns, dass wir in den letzten Jahren aus Gesprächen und Firmenbesuchen zunehmend erfahren, wie viele Unternehmen in Deutschland dabei sind, auf eine klimaneutrale Produktion umzustellen. Die zweite große Herausforderung ist, den Strukturwandel, den es aus vielen Gründen gibt, sozial gerecht zu gestalten und die Belegschaften mitzunehmen. In wirtschaftlich starken Regionen wird es darum gehen, durch Qualifizierung und Weiterbildung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fit für die neuen Technologien und Branchen zu machen. Die große Herausforderung sind Regionen, die heute schon wirtschaftlich abgehängt sind. Hier müssen wir deutlich stärker auf den Ausbau einer modernen Infrastruktur setzen, die diese Regionen mit den Ballungsräumen verbindet, neue Ansiedlungen ermöglicht und durch gezielte Cluster-Politik und Wirtschaftsförderung unterstützt.
Wenn Sie ein Spieglein an der Wand hätten, das mit der „Stimme der Wirtschaft“ spricht – welche Frage würden Sie stellen?
Schwierig. Vielleicht würde ich fragen, warum im politischen Berlin von den Dachverbänden immer stärker für freiwillige Lösungen statt für gute Gesetze geworben wird. Von meinen Gesprächen mit einzelnen Unternehmen weiß ich, dass viele gerade in gesetzlichen Regulierungen die Chancen für ein Level Playing Field sehen, weil dann jene, die vorangehen, keine Wettbewerbsnachteile haben.
Herzlichen Dank, Frau Dröge, wir freuen uns auf die Weiterführung des Dialogs im neuen Jahr!