Gastbeitrag

Claudia Oeking, Geschäftsführerin Philip Morris

Purpose als Grundlage des Handels in der Wirtschaft

Seit einigen Jahren steigt die Bedeutung des Wirkens von Organisationen wie auch der Ziele und Werte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Es ist die Frage nach dem „Purpose“, dem tief verankerten Sinn und Zweck der eigenen Tätigkeit wie der des Unternehmenshandelns.

Für die Wirtschaft ist dies eine fundamentale und zutiefst gesellschaftspolitische Frage, da sie darauf abzielt, welchen positiven Beitrag Unternehmen nicht nur bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Erhöhung von Steuereinnahmen, sondern insbesondere ihrem eigentlichen Geschäftsmodell nach für die Gemeinschaft leisten.

Purpose wirkt aus dieser Perspektive auf zwei zentrale Aspekte: Auf die Unternehmensführung und die Mitarbeiterführung

Wir können uns unserer Verantwortung für die soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie für unser politisches System, für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht entziehen. Wir sollten sie vielmehr aktiv annehmen.

I. Unternehmensführung

Jedes Unternehmen ist Teil unserer immer komplexer werdenden Gesellschaft mit ihren enormen Herausforderungen. Corporate Responsibility ist daher unbestritten ein wichtiger Teil unternehmerischen Handelns und heute auch vielfach ausschlaggebend für die Strategie per se, für Forschung, Innovation sowie die Entwicklung von Produkten und Services. Dies hat sich über die letzten Jahrzehnte deutlich herauskristallisiert.

Vor 60, 70 Jahren haben Unternehmen sich noch auf ihre Kernaufgabe konzentriert: Wertschöpfung und das Schaffen von Arbeitsplätzen. Seit Beginn der 80er war das kein hinreichender Unternehmenszweck mehr: Die Arbeitsbedingungen, der Umgang mit Mitarbeiter*innen, Zulieferern oder Anrainern rückte zunehmend in den gesamtgesellschaftlichen Fokus. Dadurch stiegen die Erwartungen, dass die Wirtschaft auch soziale Verantwortung über das eigene Betriebsgelände hinaus übernimmt – das, was wir heute Corporate Social Responsibility nennen.

Zunächst ging es dabei insbesondere um die eigene Community, mehr und mehr aber auch um den Umgang mit immer größeren Gruppen verschiedener Anspruchsgruppen. Viel ist das als Übergang vom Shareholder-basierten zum Stakeholder-basierten Wirtschaften diskutiert worden. Es beinhaltet, Verantwortung für Lieferketten von A bis Z, für die Einhaltung der Menschenrechte und natürlich von Umwelt- und Naturschutz deutlicher wahrzunehmen. Viele Firmen haben die Nachhaltigkeit mittlerweile zu einem integrativen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie gemacht.

Soweit die Entwicklung bis hierher. Nun ist es an der Zeit, dass wir als Wirtschaft unsere Verantwortung erneut überdenken. Ganz konkret geht es  um ein in den vergangenen Jahren erwachsenes Thema: Die Gefährdung der Verfasstheit unserer Demokratie, insbesondere die zunehmende Infragestellung der dahinterliegenden Grundprinzipien und Spielregeln.

Die Spaltung unserer Gesellschaft muss uns aus mehreren Gründen Sorgen machen :

  1. International tätige Unternehmen können nur in Vielfalt und mit Inklusion bestehen. Dissens und Spaltung vernichtet die Wettbewerbschancen.
  2. In einer gespaltenen Gesellschaft wirtschaftet es sich weniger gut, aus ganz naheliegenden Gründen:
    1. Die Gefahr von Verwerfungen im Markt steigt.
    2. Leidet die Diskussionskultur, erodieren die gesellschaftlichen und politischen Aushandlungsprozesse.
    3. Unternehmen brauchen Verlässlichkeit und Planbarkeit in der Regulierung.
    4. Ohne einen stabilen Markt, der Regeln des Miteinanders bewahrt, können Unternehmen nicht existieren.
    5. Moderne Wirtschaft braucht eine offene Gesellschaft, die Initiative fördert, und sie muss sich darauf verlassen, dass Innovationen zugelassen werden.
    6. Polarisierung und Spaltung gehen außerdem oft mit Abgrenzung einher. Wichtig sind aber über Landesgrenzen hinweg offene Märkte für Talente, Innovationen und Produkte.

Für all diese Punkte sind aus heutiger Perspektive demokratische, liberale Systeme die einzig stabile Grundlage. Es liegt daher im ureigenen Interesse der Wirtschaft, die demokratischen Grundfesten unserer Gemeinschaft zu schützen.

Im Sinne des Grünen Wirtschaftsdialog möchte ich zusammenfassend gern mit dem Nachhaltigkeitsbegriff operieren: Wir können uns unserer Verantwortung für die soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie für unser politisches System, für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht entziehen. Wir sollten sie vielmehr aktiv annehmen.

II. Mitarbeiterführung

Aus einem Artikel im Manager Magazin vom Dezember 2020 stammt das Zitat: „Die Purpose-Diskussion der letzten Jahre schien wie ein launiger Managementtrend, der vorüberzieht. Doch echte Sinnstiftung ist vielschichtiger als angenommen und eine zentrale Führungsaufgabe.“ Unternehmensführung definiert den Purpose in gleichem Maße wie die Führung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zusammenhalt und Verantwortungsbewusstsein sind dabei alles entscheidend. Die größte Aufgabe als Führungskraft ist es, den Mitarbeiter*innen viel Raum geben, damit sie ihre Ziele eigenverantwortlich erreichen können und sich eindeutig vor sie zu stellen, wenn es schwierig wird. Beides ist fundamental wichtig, damit sich Teams und einzelne Mitarbeiter*innen entfalten können und ihre Aufgabe mit ihrem Streben nach Purpose überein bringen können.

Ein weiteres wichtiges Element ist Empathie. Das Unternehmen muss sich auf die Belange und auch ganz privaten Bedürfnisse ihrer Beschäftigten einstellen. In der Pandemie gilt dies mehr als je zuvor, sie hat unseren Alltag, unser Zusammenleben und unsere Arbeitswelt grundlegend und auf Dauer verändert. In einer solchen Zeit stellen sich die Fragen des Umgangs mit Kolleginnen und Kollegen sowie der Gestaltung von Zusammenarbeit, von Arbeitsteilung neu.

Als Arbeitgeber haben wir bei Philip Morris unser Bestes getan, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sicherheit zu geben, damit sie sich erst mal organisieren und sortieren können. Ohne Kurzarbeit gilt auch ein Jahr nach Beginn dieses Ausnahmezustands die Devise: Bei der Work-Life-Balance geht Life gerade vor – und den Rest kriegen wir schon gemeinsam alle hin.

Den Kontakt lassen wir natürlich auch auf Distanz nicht abreißen. Wir haben die Abstände zwischen Besprechungen in den Teams und mit der gesamten Mannschaft drastisch reduziert, damit wir täglich bzw. sehr regelmäßig mit allen in Kontakt stehen, um sicherzustellen, dass sie einigermaßen gut durch diese besondere Zeit kommen. Wir versuchen, unsere Kultur des Miteinanders irgendwie auch zu allen nach Hause zu bringen. Selbstredend bieten wir Unterstützung für die Herausforderungen in Familien an oder auch psychologische Hilfe für diejenigen, denen gerade alles etwas über den Kopf wächst.

Nach nun einem Jahr Pandemie können wir voller Freude feststellen, dass trotz der herausfordernden Situation  unsere Kolleg*innen  weiterhin großartige Leistung erbringen. Es ist daher für uns absolut nicht nachvollziehbar, dass sich manche Unternehmen so sehr gegen das Arbeiten von Zuhause sträuben.

Zum Abschluss noch ein letzter Aspekt, der im Zusammenhang mit Purpose als Handlungsmaxime in der Mitarbeiterführung enorm wichtig ist: Chancengleichheit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarten heute zurecht, dass Diskriminierungen unterbunden und Ungerechtigkeiten abgebaut werden. Sie erwarten, dass alle Gruppen in ausreichendem Maße repräsentiert sind , Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten haben, einbezogen werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarten heute – ebenfalls zurecht – dass Führungsteams für die großen Herausforderungen unseres dynamischen Wirtschaftsumfelds durch einen breiten Erfahrungsschatz und ganz unterschiedliche Perspektiven richtig aufgestellt sind.

Das bedeutet Diversität im umfassenden Sinne. Dies ist gerade für die Jüngeren eine ganz prinzipielle Frage von Gerechtigkeit und somit ein wesentliches Element von Purpose.