Klimaneutralität und Energiesouveränität – Welche Rolle spielt die CO2–Speicherung?

Dr. Erika Bellmann ist Geschäftsführerin der Bellona Deutschland gGmbH, der hiesigen Ablegerin der gleichnamigen internationalen Umweltorganisation. Vor Bellona war sie für WWF Deutschland im Klimaschutz- und Energiepolitik-Team tätig. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind klimaneutrale Industrie, Infrastruktur für Klimaneutralität und negative Emissionen. Sie ist Chemikerin und arbeitete zuvor in der chemischen Industrie und in der Unternehmensberatung.

Um das Klima zu schützen, muss die Nutzung von Kohle, Erdöl und Erdgas durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Angesichts der aktuellen Krise steht zusätzlich die Frage der Energiesouveränität, und der Verzicht auf vor allem importierte fossile Energieträger erscheint dringender denn je.

Der Ausbau der Stromerzeugung aus Wind und Solar und der dazugehörige Ausbau der Stromnetzinfrastruktur hat dabei Priorität. Bei diesem Kraftakt darf man aber eines nicht übersehen: Für eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft reicht das nicht.

Nicht alles ist direkt elektrifizierbar, und es ist nicht alles Energie. Die große Bedeutung der fossilen „Energieträger“ für die Industrie liegt keineswegs nur in ihrer Eigenschaft als Energielieferant, sondern vielmehr in ihrem Wert als Rohstoff. Für viele Produktionsprozesse vor allem der Zement-, Stahl- und chemischen Industrie sind Kohlenstoffverbindungen unabdingbar, CO2 entsteht im Produktionsprozess und muss abgeschieden werden. Erneuerbare Stromerzeugung und Stromleitungen als Basis für einen zukunftsfähigen Industriestandort sind deshalb zwingend notwendig, insbesondere auch für die Herstellung ‚grüner‘ Kohlenstoffverbindungen, sie sind aber nicht ausreichend. Zusätzlich erforderlich sind Wasserstoffleitungen sowie die Abscheidung, Transport, Nutzung und permanente geologische Speicherung von CO2. Nur so können die Industrieemissionen auf Null gesenkt und eine ausreichende Menge an Negativ-Emissionen erzielt werden.

Die Entscheidungsträger in Deutschland sind in Bezug auf die Notwendigkeit der CO2-Speicherung und einer CO2-Transportinfrastruktur zögerlich und riskieren damit wichtige Weichenstellungen zu verpassen. Dabei stehen international sichere Speicherorte zur Verfügung. Zum Beispiel sind unter der Nordsee geeignete geologische Formationen vorhanden und von den Anrainerstaaten erforscht bzw. erschlossen. Damit auch in Deutschland CO2-Abscheidungsanlagen und Transportoptionen zu den Speicherstätten unter der Nordsee entstehen, müssen eine Reihe von rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, siehe zum Beispiel Effektivem Klimaschutz die Tür öffnen: Rechtsrahmen CCS in Deutschland. Ferner sollten Fördermechanismen und beabsichtigte Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference, CCfDs) die CO2-Speicherung ausdrücklich berücksichtigen.

Ausgelöst durch die aktuelle Krise, sind neue Infrastrukturen gerade im Entstehen. Um Erdgas aus Russland teilweise zu ersetzen, sollen LNG-Terminals gebaut werden. Wichtig dabei ist, deren Planung nicht allein auf akuten Krisenbedarf von Erdgas-Importen auszulegen. LNG-Terminals müssen nicht nur Erdgas importieren, sondern auch CO2 exportieren können. So werden diese neuen Infrastrukturelemente zukunftsfähiger und können langfristig zu Klimaneutralität und zum Erzielen von Negativ-Emissionen beitragen.