Wir sollten Patente, die unbestritten enorme negative Auswirkungen haben, als Innovationsmotoren mittelfristig mindestens flankieren, wenn nicht sogar ersetzen durch neue Instrumente der Forschungsförderung, wie sie auch im aktuellen grünen Bundestagswahlprogramm eingefordert werden.
Dr. Paula Piechotta ist Fachärztin an der Uniklinik Leipzig, Spitzenkandidatin der Grünen in Sachsen und Direktkandidatin im Wahlkreis Leipzig II.
Spätestens angesichts der enormen globalen Ungleichverteilung von Corona-Impfstoffen ist in die Debatte um medizinische Patente neue Bewegung gekommen. Die Nachteile der aktuellen Patentregelungen liegen auf der Hand, gleichzeitig sind bislang keine alternativen Anreizmechanismen bekannt, die eine ähnlich schnelle Impfstoffentwicklung wie im Fall der verschiedenen erfolgreichen Covid19-Vakzinen ausgelöst hätten. Grüne Position sollte es vor diesem Hintergrund sein, eine Lösung zu finden, die einerseits die enormen globalen Gerechtigkeitslücken im Zugang zu innovativen Medikamenten auflöst, aber auch langfristig die enorme Innovations-Fähigkeit erhält bzw. sogar verbessert.
Die sympathische Forderung nach einer einfachen Überwindung der Patente erfüllt diese beiden Anforderungen nicht. Wie aber könnten tatsächliche Lösungswege aussehen am Beispiel der aktuellen Verteilung der Covid-Impfstoffe?
Viel ist in den letzten Monaten darüber geschrieben worden, dass ein bloßes Aufheben der Patentregelungen keine Erhöhung der Produktion bedeutet, wenn Rohstoffe knapp sind, der Aufbau von Fabriken zeitaufwendig ist und nicht gleichzeitig das notwendige Know-How mitgeliefert wird. Deswegen ist es nicht nur zielführender, die vorhandenen Kapazitäten gemeinsam mit den Herstellern auszuweiten, sondern auch den jetzt auf den Unternehmen lastenden politischen Druck zu nutzen, um diese zu deutlicheren Zugeständnissen zu bewegen und sowohl die Liefermengen an Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen auszuweiten als auch die tatsächliche Weitergabe der Impfstoffe und Medikamente zu Preisen einzufordern, die für diese Länder bezahlbar sind.
Langfristig aber ist es wichtig, dass wir für kommende Gesundheitskrisen und aktuell noch nicht behandelbare Erkrankungen die enorme Innovationskraft der biomedizinischen Forschung gerade auch in der Europäischen Union nicht schwächen, sondern im Gegensatz sogar noch stärken. Wir sollten Patente, die unbestritten enorme negative Auswirkungen haben, als Innovationsmotoren mittelfristig mindestens flankieren, wenn nicht sogar ersetzen durch neue Instrumente der Forschungsförderung, wie sie auch im aktuellen grünen Bundestagswahlprogramm eingefordert werden. Denkbar sind hier beispielsweise globale Preisgelder für neue Wirkstoffe, die Finanzierung klinischer Zulassungsstudien aus öffentlichen Geldern und international gestaffelte Medikamenten-Preise gemäß der Wirtschaftskraft der Abnehmer-Länder. Das könnte auch ermöglichen, dass medizinisch dringend benötigte Innovationen auch dann forciert beforscht werden, wenn sie nach heutigen Maßstäben nicht wirtschaftlich zu erreichen sind, weil sie beispielsweise v.a. Krankheiten in ärmeren Regionen der Welt betreffen. In diesem Zusammenhang wird oft betont, dass große Mengen öffentlicher Gelder in die jeweils vorgelagerte Grundlagenforschung fließen. Das ist zweifelsohne richtig. Richtig ist aber beispielsweise auch, dass die aktuell rasche Verfügbarkeit von Impfstoffen nicht nur der Grundlagenforschung zu verdanken ist, sondern eben auch vor auch sehr kostenintensiven, extrem zeiteffektiv durchgeführten klinischen Zulassungsstudien. Wenn es uns gelingt, dass insbesondere die klinische Erprobung durch neue Finanzierungsmöglichkeiten und Anreizsysteme neue Finanzierungsmöglichkeiten erhält, dann hat das auch das große Potential, kleineren und mittelständischen Unternehmen den Weg in die klinische Zulassung zu erleichtern.