Immer mehr Unternehmen wollen Verantwortung übernehmen und Wandel gestalten. Der Weg geht weg von der reinen Absicht zur Gewinnmaximierung hin zu einem ganzheitlichen Stakeholder-Ansatz. Und ja, das ist hochpolitisch.

Tjark Melchert ist Wirtschaftswissenschaftler aus Niedersachsen. Dort ist er seit 2013 grünes Mitglied und seit 2017 Sprecher der LAG Wirtschaft. 

In zehn Wochen wird der 20. Deutsche Bundestag gewählt und damit über die Weichenstellung für das kommende Jahrzehnt entschieden. Es geht darum, ob wir die Kurve kriegen: Beim Klimawandel, dem sozialen Zusammenhalt und der ökologischen Modernisierung unserer Wirtschaft. Falls wir aus einer dieser Kurven rausfliegen, ist der Wohlstand unseres Landes gefährdet. Das gilt es zu verhindern und darum sollte es in den kommenden Wochen im Wahlkampf gehen.

Die Parteien haben hierzu unterschiedlichste Ansätze, die nun nach vorne gestellt und diskutiert gehören. Die Grünen bringen eine Vielzahl kreativer Ideen ein und kommunizieren diese mit einem neuen Sound der Eigenverantwortung:

„Wir sehen, mit welcher Agilität Unternehmer*innen neue Ideen oder Geschäftsmodelle entwickeln und dabei auch ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden wollen. Und wir sind überzeugt, dass das freie und kreative Handeln, die Dynamik eines fairen Wettbewerbs, die Stärke von gesellschaftlicher Kooperation innovativ Probleme löst.“

Diese Sätze stehen zu Beginn des Wirtschaftskapitels im grünen Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021. Diese Sätze machen wirklich Mut. Die Grünen haben sich weiterentwickelt, man könnte fast von einem Paradigmenwechsel sprechen. Sie haben die Potenziale von freien Märkten für grüne Politik erkannt und ihr Bild vom Unternehmertum korrigiert. Den Unternehmerinnen und Unternehmern reichen die Grünen nun die Hand für die gemeinsame Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Herausforderungen. Dass diese Hand so oft angenommen wird, macht Hoffnung für die nächsten Jahre.

Das größte verbindende Element ist der Gedanke der Nachhaltigkeit als Zentrum des Handelns. Die meisten Unternehmer:innen möchten mit ihrem Geschäft auch in Zukunft leben können. Das gleiche gilt für politisches Handeln. Es muss darauf ausgelegt sein, auch in Zukunft in Freiheit und Würde leben zu können. Dafür sind ein handlungsfähiger Staat und eine intakte Umwelt Voraussetzung.

Um das zu gewährleisten, ist eine konsequente sozial-ökologische Transformation nötig. Von ihrem Gelingen hängt der Erfolg der deutschen Industrie und gesamten Wirtschaft in Zukunft ab. Diesen Erfolg gibt es nur beim Weg in eine erfolgreiche Zukunft mit klimaneutralem Wohlstand.

Immer mehr Unternehmen wollen Verantwortung übernehmen und Wandel gestalten. Der Weg geht weg von der reinen Absicht zur Gewinnmaximierung hin zu einem ganzheitlichen Stakeholder-Ansatz. Und ja, das ist hochpolitisch. Die Unternehmen bewegen sich weder in einer Parallelwelt noch im politischen Vakuum. Sie sind politische und gesellschaftliche Akteure und sich der Verantwortung bewusst, die damit einhergeht.

Für ihr Handeln brauchen sie Partner in der Politik. Bei den politischen Wettbewerbern wird man dort aktuell nicht fündig, sondern kauft die Katze im Sack. CDU und SPD scheinen sich unsicher zu sein, ob sie den Weg ins klimaneutrale Zeitalter überhaupt begehen wollen. Die Grünen lassen daran währenddessen keinen Zweifel: Sie werden ein verlässlicher Partner an der Seite der Wirtschaft zur Gestaltung des Wandels sein.

Um diesen Wandel zu gestalten, brauchen Grüne nicht nur Mehrheiten in Parlamenten und funktionierende Verwaltungen. Sondern sie brauchen auch starke Sparringspartner in Verbänden und Unternehmen da draußen. Mit ihnen kann man sich in der Sache streiten und am Ende zusammen wachsen.

Diese Sparringspartner kristallisieren sich heraus. Als Dieter Zetsche 2016 den grünen Bundesparteitag besuchte, wurde er noch von Protesten und Pfiffen begleitet. Fünf Jahre später ist unsere Partei deutlich weiter. Aber auch die Führungsebenen der Wirtschaft haben sich weiterentwickelt. Der langjährige Siemens-CEO Joe Kaeser war willkommener Gast auf dem letzten Bundesparteitag und wirbt öffentlich für Annalena Baerbock als Kanzlerin und eine nachhaltige Industriepolitik. Und die neue Generation der Autobosse, Herbert Diess oder Zetsches Nachfolger Ola Källenius, setzt offensiv auf grüne Technologien, um den Wandel der Automobilindustrie zu gestalten, statt von ihm abgehängt zu werden.

Es wurden in der Vergangenheit Brücken gebaut. Nun gilt es, diese Brücken von beiden Seiten zu begehen, den konstruktiven Austausch fortzusetzen und Deutschland zu gestalten. Alles ist drin. Für die Grünen UND die Wirtschaft.